L�sungsvorschlag zum Thema 4:
AUGENBLICKE
Liebe tina,
lange habe ich nichts mehr von dir geh�rt. Nun ist es kurz vor Weihnachten
und ich habe sehr oft an dich gedacht, weshalb ich mich entschlossen habe, dir
zu
schreiben.
wie schon gesagt: es ist bald Weihnachten, das Fest der Liebe, die Familie
ist gl�cklich vereint...
Mir sollte es eigentlich gut gehen, eigentlich. Seit mein Vater gestorben ist,
hat sich vieles in meinem Leben ver�ndert:
Ich bin oft traurig, w�tend, hilflos.
Das liegt nicht an meinem verstorbenen Vater, sondern an meiner Mutter.
Sie hat sich nach dem Tod meines Vaters sehr ver�ndert.
Es ist nicht leicht f�r sie, das wei� ich. Aber wie w�rdest du dich f�hlen,
wenn dir deine Mutter st�ndig hinterherl�uft, nachsieht was du tust?
Ich f�hle mich so, als w�rde ich st�ndig von ihr kontrolliert!
Sie ist aufdringlich, wahnsinnig aufdringlich. Das macht mich so w�tend!
Ihre st�ndigen Vorw�nde, nur um zu mir ins Badezimmer zu gelangen.
Du kannst dir nicht vorstellen, wie unbeschreiblich l�stig das ist.
Ich habe schon ein Gesp�r daf�r entwickelt, zu merken, wann sie wieder zu mir
kommt.
Mein Herz f�ngt an zu Rasen und ich sp�re diese unglaubliche Wut in mir.
Wut auf sie, meine Mutter! Es ist nicht so, dass ich sie nicht lieben w�rde.
Sie bedeutet mir viel, schlie�lich ist sie meine Mutter.
Schon oft habe ich dar�ber nachgedacht, warum sie das tut.
Ich denke sie nutzt das Badezimmer zur Kontaktaufnahme.
Jeden Tag gehe ich arbeiten, verdiene mein Geld, baue mein eigenes Leben auf.
Sie will das nicht wahrhaben. Vielleicht denkt sie ja, ich bin immer noch ihr
Kindchen.
Nein Tina, ich bin nicht ihr kleines Kind, ich bin ihre Tochter,
ich bin erwachsen, warum will sie das nicht sehen?
Gestern kam sie wieder zu mir ins Badezimmer. Irgendetwas hatte sie vor,
vielleicht wollte sie sich die H�nde waschen. Meine H�nde haben sich verkrampft,
am liebsten h�tte ich sie angebr�llt: Sie soll rausgehen, mich in Ruhe lassen!
Tina, ich war so verzweifelt! Ihre Anwesenheit macht mich wahnsinnig!
Nachdem sie zur T�re hereinkam, lief ich hinaus, ich konnte meine Mutter nicht
mehr ertragen. In die Stadt bin ich gefahren, na ja eigentlich eher gefl�chtet.
Kurz entschlossen wollte ich mir eine Wohnung suchen, ausziehen, weggehen von
meiner Mutter, die alleine ist.
Ich wei� nicht, ob ich tats�chlich ausziehen soll. Meine Mutter hat nur noch
mich,
mein Vater ist tot, wie du ja schon wei�t.
Vielleicht w�rde sie es kaputtmachen, wenn ich ausziehen w�rde.
Ich denke, sie w�rde das nicht verkraften. Kannst du mich verstehen?
Auf der einen Seite will ich nur noch weg von ihr. Weg davon, dass sie
klammert.
Sie klammert sich an mir fest. Tut freundlich, l�chelt mich immer an.
Meinst du, sie denkt, sie k�nnte mich so daheim behalten? Nein, das kann sie
nicht.
Es w�rde mir gut tun, k�nnte sie mich doch einfach einmal anschreien, mir die
Meinung sagen. Doch das tut sie nicht. Und ich tue das auch nicht, weil ich
Angst habe, sie zu Verletzen. Meine Mutter ist sehr labil, oft krank und
hilflos.
Auf
der anderen Seite ist es einfach schrecklich, sie nie anschreien zu d�rfen.
Vielleicht sollte ich es aber doch tun. Was denkst du, wie wird sie reagieren?
Ich m�chte sie nicht alleine lassen, ich m�chte nicht die b�se Tochter sein,
die ihre hilflose, kranke Mutter alleine l�sst.
Aber ich habe doch auch ein Recht darauf, erwachsen zu sein und das auch
auszuleben!
Was ist das da in mir, diese zwiesp�ltige Gedanken? Ich glaube, Tina, du wei�t
auch keine Antwort darauf. Trotzdem w�rde ich mich freuen, k�nntest du mir
zumindest sagen, was du �ber meine Mutter denkst... und auch �ber mich.
Ich wei� nicht, ob das gestern falsch war, einfach in die Stadt zu fahren,
um nach einer Wohnung f�r mich zu suchen.
Glaubst du, ich will vor ihr fl�chten? Ja, das k�nnte schon sein.
Weil es mich einfach krank macht, wie sie sich an mir festklammert, wie sie
immer und immer wieder nach Wegen und Vorw�nden sucht, mit mir zu sprechen.
Ich bin wie hin- und hergerissen: zwischen meiner Mutter, meinem Dasein als
Tochter und meinem Leben, meiner Freiheit und dem Traum, vollkommen gl�cklich
zu sein.
Es sind zwei Dinge, von denen ich nicht wei�, wie ich sie verbinden soll und
kann.
Wenn du einen Weg siehst, der diese beiden dinge miteinander verbindet,
bitte lass es mich wissen! Der einzige Grund, warum meine Mutter das alles tut,
ist, denke ich, weil sie mich liebt.
Aber wenn sie mich liebt, Tina, muss sie dann nicht auch loslassen k�nnen?
Ich m�chte dir noch den Rest vom gestrigen Abend erz�hlen:
Meine Wohnungssuche war erfolglos. Als ich es aufgegeben hatte, nach einer
Wohnung zu suchen, beschloss ich, noch in der Stadt zu bleiben, bis es sp�t
geworden war.
So musste ich meiner Mutter nicht mehr �ber den Weg laufen, was ich an diesem Tag
einfach nicht h�tte ertragen k�nnen.
Als ich sp�t in der Nacht wieder zu Hause war, hatte sich meine Mutter schon
schlafen gelegt. So wie ich es erwartet hatte. Eigentlich h�tte ich gl�cklich
�ber meine Situation sein sollen. Schlie�lich war sie, meine Mutter, im Bett
und konnte mich also nicht mehr w�tend machen, konnte nicht mehr mit mir reden,
mich nicht mehr st�ren und nerven, mit ihrer Gelassenheit und ihrer
Anh�nglichkeit.
Ihr st�ndiges L�cheln, ihre Art, so zu tun als w�re alles in bester Ordnung,
das macht mich noch w�tender. Warum, Tina, sieht sie nicht, wie w�tend ich bin,
wie sauer mich ihr Verhalten macht?
Als ich dort stand, in der stillen Wohnung, in der stillen friedlichen Nacht.
Ich h�tte schreien k�nnen, nachdem ich mich in den Sessel habe fallen lassen.
Es erschreckte mich, Tina:
Die Nacht war genauso wie meine Mutter:
Sie umgab mich, hatte mich in der Hand, war still und ganz freundlich...
Danke, dass du mir zugeh�rt hast. Bitte schreib mir bald zur�ck!
Liebe Gr��e,
Deine Elsa
Note: 1-