Ludwig van Beethoven
Beethoven
in Bonn...
(1770-1792)
Herkunft und Kindheit
Ludwig
van Beethoven stammte aus einer
Musikerfamilie. Sein Vater wie sein
Großvater waren im Dienste der Kurfürsten
von Köln gestanden, deren Residenz sich in
Bonn befand. Der Großvater, Lodewyk van
Beethoven (1712-1773), der aus dem
belgischen Mechelen stammte, trat 1733
als Bassist in die kurfürstliche Kapelle
ein; 1761 wurde er zum Kapellmeister
ernannt.
Sein Sohn Johann (1740-1792) war mit zwölf
Jahren Sopranist, nach dem Stimmbruch Tenor
in der Kapelle. Außerdem spielte er Klavier
und Violine und konnte somit durch
Unterrichten sein Gehalt aufbessern. Im
November 1767 heiratete er Maria
Magdalena Leym, geborene Keverich, eine
einundzwanzigjährige Witwe. Im April 1769
wurde ihr erstes Kind geboren, das aber nur
sechs Tage am Leben blieb. Am 17. Dezember
1770 kam Ludwig van Beethoven in Bonn zur
Welt.
Von seinen fünf jüngeren Geschwistern
überlebten nur zwei die ersten Lebensjahre,
Caspar Anton Carl (1774-1815) und Nikolaus
Johann (1776-1848); sie standen Ludwig
zeitlebens sehr nahe. Der Vater hatte das
außergewöhnliche Talent seines Sohnes schon
früh erkannt; er erteilte ihm Klavier- und
Violinunterricht und versuchte, ihn nach dem
Beispiel Mozart als Wunderkind zu
„vermarkten". Am 26. März 1778
stellte er sein „Söhngen von sechs Jahren"
erstmals dem Kölner Publikum vor - Ludwig
war ein Vierteljahr vorher sieben geworden.
Auf den frühen Drucken ist sein Alter
durchweg zwei Jahre jünger angegeben.
Unterricht bei Christian Gottlob Neefe
1779 kam der Komponist und Organist
Christian Gottlob Neefe (1748-1798) als
Hoforganist nach Bonn, und Ludwig wurde sein
Schüler. Neben dem Klavier- und Orgelspiel
unterrichtete er ihn auch im
Generalbassspiel und in der Komposition und
half ihm, seine ersten Werke zu
veröffentlichen. Er stellte ihn als
Hilfsorganist im Bonner Hoforchester an, und
auch am Cembalo vertrat Beethoven häufig
seinen Lehrer.
Der 16jährige Beethoven
in Hoftracht (Silhouette)
Durch den Dienst bei sonn- und festtäglichen
Hochämtern und die Mitwirkung im Konzert und
im Theater kam der junge Künstler mit der
Musik Haydns, Mozarts und mit Werken der
Mannheimer und der Pariser Komponisten in
Berührung; sein Lehrer machte ihn mit der
strengen Kontrapunktik Johann Sebastian
Bachs bekannt. Durch seine Kompositionen und
durch sein virtuoses Klavierspiel erregte
Beethoven Aufsehen am Bonner Hof; der
Kurfürst Maximilian Franz (1756-1801) zeigte
großes Interesse an seinen Fortschritten. Im
Frühjahr 1787 gewährte er dem
Siebzehnjährigen Urlaub für eine Reise nach
Wien, damit er sich bei Mozart weiterbilde.
Aus diesem Vorhaben wurde allerdings nichts,
denn nach vierzehntägigem Wien-Aufenthalt
wurde Beethoven durch die Nachricht von der
Erkrankung seiner Mutter nach Bonn
zurückgerufen. Kurze Zeit nach seiner
Rückkehr, am 17. Juli 1787, starb die
Mutter.
Orchestermusiker in Bonn
1789 wurde das neue Opernhaus in Bonn eröffnet; mehrere Jahre hindurch spielte Beethoven im Opernorchester die Bratsche.
Auf dem Spielplan standen neben Werken der beliebten Komponisten Giovanni Paisiello (1741-1816) unter anderem auch Mozarts Entführung aus dem Serail, Le Nozze di Figaro und Don Giovanni.
Im November 1789 wurde Beethovens Vater aus dem Orchesterdienst in den Ruhestand entlassen. Nach dem Tod der Mutter hatte er sich mehr und mehr dem Trunk ergeben, und die Sorge um die Geschwister lastete immer stärker auf dem ältesten Sohn - Beethoven erwirkte vom Hof, dass ihm die Hälfte des väterlichen Gehalts für den Unterhalt der Brüder überlassen wurde.
Bekanntschaft mit Haydn
Im Dezember 1790 machte Joseph Haydn auf
seiner ersten Reise nach London
Zwischenstation in Bonn, möglicherweise traf
Beethoven schon damals mit ihm zusammen.
Ganz sicher jedoch begegneten sie einander
auf Haydns Rückreise nach Wien im Sommer des
Jahres 1792. Vermutlich bot ihm Haydn an,
ihn zu unterrichten. Auch der Bonner Hof,
allen voran Kurfürst Maximilian Franz, hielt
einen Studienaufenthalt in Wien bei Haydn
für sinnvoll, und so wurde vereinbart, dass
Beethoven auch noch während der ersten Zeit
in Wien sein Gehalt aus Bonn erhalten
sollte. Anfang November 1792 reiste
Beethoven aus Bonn ab, und um den 10.
November kam er in Wien an.
Beethoven in Wien...
Unterricht bei Haydn, Albrechtsberger und
Salieri
Kurze Zeit nach seiner Ankunft in der
Kaiserstadt begann Beethoven mit seinen
musikalischen Studien bei Haydn. Die
Unterweisung im Kontrapunkt dauerte mit
Unterbrechungen bis zum Beginn des Jahres
1794, als Haydn seine zweite Londonreise
antrat. Beethoven war mit den lockeren
Unterrichtsmethoden Haydns nicht immer
zufrieden. Als Haydn Wien verlassen hatte,
begann er bei dem bekannten Theoretiker
Johann Georg Albrechtsberger (1736 -1809)
mit dem Studium von Kontrapunkt, Kanon und
Fuge. Die Beziehung zu Haydn blieb jedoch
bis zu dessen Tod 1809 bestehen, und das
Verhältnis zwischen den beiden soll trotz
einiger negativer Aussagen Beethovens über
seinen Lehrer durchaus freundlich gewesen
sein. Sicherlich verdankte er Haydn auch die
Bekanntschaft mit einflussreichen
Kunstliebhabern und Mäzenen der Stadt.
Seine erste Unterkunft fand der Bonner
Musiker bei Fürst Karl Lichnowsky
(1756-1814), in dessen Stadtresidenz Haydn
ein gerngesehener Gast war. Auch Baron
Gottfried van Swieten (1733-1809) nahm Notiz
von Beethoven, der zunächst weniger als
Komponist denn als Klaviervirtuose bekannt
war. Der Freund und Gönner Mozarts förderte
den jungen Pianisten gerade zu Beginn seiner
Karriere in Wien, und Beethoven widmete ihm
seine erste Sinfonie.
Nach der Unterweisung im Kontrapunkt durch
Haydn und Albrechtsberger nahm Beethoven von
1799 bis 1802 noch Unterricht im
italienischen Vokal- und Opernstil bei dem
damaligen Wiener Hofkapellmeister, Antonio
Salieri (1750-1825). Später hatte er keinen
nennenswerten Kontakt mehr zu dem hoch
angesehenen Opernkomponisten, und es
scheint, dass dieser dann auch eher gegen
ihn eingenommen war.
Als freischaffender Pianist in Wien
Im März 1794 stellte Kurfürst Maximilian die
Zahlungen ein. Beethoven war zu jenem
Zeitpunkt nicht mehr auf die Zuwendungen des
Bonner Hofs angewiesen. Er war als
Klavierlehrer sehr gefragt und unterrichtete
eine ganze Reihe junger Damen aus
wohlhabenden adeligen Familien. Kurze Zeit
später zog sein Bruder Caspar Carl zu ihm
nach Wien. Im darauf folgenden Jahr kam auch
Nikolaus Johann in die Kaiserstadt und
arbeitete hier als Apothekenhelfer.
Während der ersten Wiener Jahre trat
Beethoven als Pianist nur im privaten Rahmen
auf. Am 29. März 1795 stellte er sich dem
Wiener Publikum in seinem ersten
öffentlichen Konzert im Burgtheater.
Der erste große Erfolg: „Die Geschöpfe des
Prometheus" (1801)
Nach intensiver Arbeit an den
Streichquartetten op. 18 wagte sich
Beethoven 1799 zum ersten Mal an die
Komposition einer Sinfonie - am 2. April
1800 wurde seine erste Sinfonie op. 21 im
Rahmen eines Benefizkonzertes im alten
Burgtheater aufgeführt. Den Durchbruch als
Komponist brachte ihm allerdings erst seine
Ballettmusik „Die Geschöpfe des Prometheus"
op. 43, ein Auftragswerk des berühmten
Tänzers, Choreographen und Komponisten
Salvatore Vigano (1769-1821). Die Premiere
am 28. März 1801 hatte großen Erfolg, das
Ballett wurde im selben Jahr noch dreizehn
Mal, im darauf folgenden Jahr neunmal
gegeben.
1800-1802 entstanden auch die Klaviersonaten
op. 27 und op. 28, das Quintett op. 29 und
die Violinromanze op. 40. Im Februar 1802
schloss er die Komposition der zweiten
Sinfonie op. 36 ab, die jedoch erst ein Jahr
später, am 5. April 1803, zur Uraufführung
gelangte.
Beethoven in Wien II (1802-1815)
Nach den schwierigen Monaten in
Heiligenstadt - die Klaviervariationen op.
34 - 35 und die Klaviersonate op. 31 stammen
unter anderem aus dieser Zeit - arbeitete er
nun mit großer Energie an neuen Werken. Im
März 1803 vollendete er das Oratorium
Christus am Ölberge op. 85 und das dritte
Klavierkonzert op. 37. Am 5. April 1803
wurden diese Werke und die Sinfonie Nr. 2 in
einem Benefizkonzert im Theater an der Wien
uraufgeführt. Beethoven erhielt dafür
Einnahmen von etwa 1800 Gulden.
Das Theater an der Wien
Hier wurden unter anderem die Sinfonien Nr.
3 und 6, das Violinkonzert und die Oper
"Fidelio" uraufgeführt
Angespornt durch den erzielten Erfolg,
begann er mit der Komposition der
Violinsonate op. 47, die er später dem
französischen Geiger Rodolphe Kreutzer
(1766-1831) widmete, und der dritten
Sinfonie op. 55 ("Eroica").
Seit Anfang des Jahres war er als Komponist
am Theater an der Wien angestellt, und kurze
Zeit später zog er zusammen mit seinem
Bruder Caspar in eine Dienstwohnung am
Theater.
Fidelio
Im
Frühjahr 1804 lief sein Vertrag mit dem
Theater an der Wien aus, doch Anfang
September desselben Jahres wurde er wieder
vom Theater angestellt. Beethoven trug sich
schon einige Zeit mit dem Gedanken, eine
Oper zu schreiben, und als Joseph
Sonnleithner (1766-1835), der Sekretär des
Wiener Hoftheaters, nach einer französischen
Vorlage das Libretto zu Leonore für ihn
geschrieben hatte, arbeitete er intensiv an
der Komposition. Die Uraufführung wurde für
den 30. September 1805 festgesetzt, mußte
jedoch verschoben werden, weil die
Theaterzensur Einspruch erhob und erst nach
einer Petition Sonnleithners einlenkte. Auch
der zweite Termin konnte nicht eingehalten
werden, da Napoleons Truppen in die
Kaiserstadt einmarschiert waren und Napoleon
sein Hauptquartier in Schloß Schönbrunn
einrichtete.
Am 20. November 1805 fand die Premiere von
Leonore wirklich statt; es folgten zwei
weitere Aufführungen. Beethoven war jedoch
mit dem Werk nicht zufrieden. Er
überarbeitete das Stück mehrmals, und auch
der Text wurde immer wieder abgeändert -
damit befaßte sich unter anderem sein Bonner
Freund Stephan von Breuning (1774-1827). Die
endgültige Fassung wurde erst acht Jahre
später, am 23. Mai 1814, mit neuer Ouvertüre
und unter demTitel Fidelio im
Kärntnertortheater zum ersten Mal
aufgeführt; sie sollte trotz anderer
Opernpläne des Komponisten seine einzige
vollendete Oper bleiben.
Beethoven in Wien III (1812 - 1827)
Im Herbst 1812 verbrachte Beethoven einige
Wochen bei seinem Bruder Nikolaus Johann,
der in Linz als Apotheker lebte. Während
dieses Aufenthalts schrieb er seine achte
Sinfonie op. 93 nieder. Daß sein Bruder mit
seiner Haushälterin Therese Obermeyer in
wilder Ehe lebte, war ihm ein Dorn im Auge,
er wandte sich in dieser Angelegenheit sogar
an den zuständigen Bischof. Nikolaus und
Therese heirateten am 8. November, und nach
dieser Lösung des Problems reiste Beethoven
nach Wien zurück.
Im Juni 1813 siegte der Herzog von
Wellington über Napoleon. Auf Anregung des
Erfinders Johann Nepomuk Mälzels (1772-1838)
schrieb Beethoven die „Schlachtensinfonie"
op. 91, „Wellingtons Sieg". Ursprünglich war
das Stück für Mälzels „Panharmonicon", ein
mechanisches Musikinstrument gedacht. In der
Orchesterbearbeitung wurde es am 8. Dezember
zusammen mit der siebenten Sinfonie bei
einem Wohltätigkeitskonzert uraufgeführt und
erregte ungeheures Aufsehen. Im Orchester,
das für die „Schlachtensinfonie" eine
ungewöhnlich große Besetzung erforderte,
saßen die berühmtesten Musiker Wiens, unter
anderem die Komponisten Johann Nepomuk
Hummel und Antonio Salieri. Das Konzert
wurde vier Tage später wiederholt; der
Reinerlös der beiden Vorstellungen von
insgesamt 4000 Gulden kam den Kriegsopfern
zugute.
Die großen Erfolge der letzten Jahre
Nun folgte eine Reihe von glanzvollen
Konzerten. Im Februar 1814 erklang erstmals
die achte Sinfonie op. 93, im April das
„Erzherzogtrio" op. 97. Fidelio wurde von
Grund auf überarbeitet und ging am 23. Mai
im Kärntnertortheater unter Beethovens
Leitung über die Bühne; die zweite
Aufführung am 26. Mai eröffnete eine neue,
die jetzige Fidelio-Ouvertüre (die drei
vorher entstandenen werden als
Leonohren-Ouvertüren bezeichnet). Für die
Eröffnung des Wiener Kongresses 1814 schrieb
Beethoven die Kantate „Der glorreiche
Augenblick" op. 136, die am 29. November im
Rahmen einer Akademie im Großen Redoutensaal
erstmals gegeben wurde; auf dem Programm
stand neben „Wellingtons Sieg" auch die
siebente Sinfonie. Die Kaiserinnen von
Österreich und Russland, der König von
Preußen und fast alle der fürstlichen
Teilnehmer des Wiener Kongresses wohnten dem
Konzert bei, im Orchester wirkten wieder die
berühmtesten Musiker Wiens mit.
Der Streit um die Vormundschaft
Am 15. November dieses Jahres starb sein
Bruder Caspar Carl. Beethoven fühlte sich
für dessen einzigen Sohn verantwortlich und
bemühte sich um die alleinige Vormundschaft,
was langwierige Streitigkeiten mit der
Mutter des Knaben zur Folge hatte. Nach
aufreibenden Prozessen durch verschiedene
Instanzen wurde ihm schließlich im April
1820 das alleinige Sorgerecht zugesprochen.
Ein umfangreiches Schreiben Beethovens vom
Februar 1820 an den Wiener Magistrat zeugt
von seinen Anstrengungen in diesen
Auseinandersetzungen und beleuchtet die
kompromisslosen Erziehungsprinzipien des
Komponisten.
Beethoven um 1818
Beethoven hatte den Jungen 1816 für zwei
Jahre in ein privates Erziehungsinstitut
gegeben; nach seinem Schulabschluss hatte
Karl die Universität besucht, dann wechselte
er an das Polytechnikum. Zermürbt durch die
andauernden emotionalen Belastungen, machte
er am 30. Juli 1826 einen Selbstmordversuch,
den er glücklicherweise überlebte. Beethoven
war dadurch zutiefst getroffen. Er gab nun
dem Wunsch seines Neffen nach und erlaubte
ihm, ins Militär einzutreten.
Der Streit um die Vormundschaft hatte
Beethoven nicht nur große finanzielle
Einbußen gebracht, sondern ihn auch für
längere Zeit in seiner Schaffenskraft nahezu
gelähmt. Seine Ertaubung war nun so weit
fortgeschritten, dass er sich nur noch
schriftlich mit seiner Umgebung verständigen
konnte.
Die Konversationshefte
Beethovens Schwerhörigkeit hatte etwa 1818
einen Grad erreicht, der den Komponisten
zwang, mit seinen Gesprächspartnern
schriftlich zu kommunizieren. Zu diesem
Zweck trug er ständig ein Notizbuch bei
sich; an die 400 soll er im Laufe der Zeit
voll geschrieben haben.
Heute sind 137 dieser so genannten
Konversationshefte erhalten, sie stellen
eine aufschlussreiche Quelle für Beethovens
Lebensjahre von 1818 bis 1827 dar. Dabei
liegt die Bedeutung des Materials in erster
Linie darin, dass es uns eine Vorstellung
von der Lebensweise Beethovens vermittelt,
eingehende Erklärungen über seine
kompositorische Arbeitsweise sind eher
selten. Unter anderem geben ausführliche
Aufzeichnungen Aufschluss über die
Vorbereitungen zur Uraufführung der neunten
Sinfonie op. 125 am 7. Mai 1824, doch werden
auch familiäre Begebenheiten, etwa Karls
Selbstmordversuch, erörtert.
Eine Vielzahl persönlicher Notizen,
Einkaufslisten, Briefskizzen, Abschriften
von Zeitungsannoncen und sogar
Kompositionsskizzen finden sich unter den
Eintragungen.
Die ungeheure Fülle an Informationen muss
allerdings mit gewisser Vorsicht behandelt
werden. Einerseits geben die Aufzeichnungen
fast ausschließlich die Äußerungen der
Gesprächspartner wieder, andererseits haben
längst nicht alle Konversationen Beethovens
schriftliche Spuren hinterlassen, da sich
einige seiner Freunde und Bekannten (etwa
Erzherzog Rudolf) trotz seines Gebrechens
nach wie vor mündlich mit ihm unterhielten.
Dazu kommt, dass die Hefte nach dem Tod des
Komponisten in den Besitz Anton Schindlers
(1795-1864) gelangten, der seit 1819 sein
Adlatus war und später die erste
Beethoven-Biographie verfasste. Schindler
fügte nachträglich zahlreiche Eintragungen
ein, um den Anschein zu erwecken, er habe in
engem Kontakt zu Beethoven gestanden.
Während der letzten drei Jahrzehnte gelang
es der Forschung jedoch, die gefälschten
Textstellen Schindlers zu identifizieren.
Seit den sechziger Jahren arbeitet ein Team
der Deutschen Staatsbibliothek, wo sich die
meisten Konversationshefte befinden, an
einer wissenschaftlich fundierten
zehnbändigen Ausgabe des umfangreichen
Materials.
Beethovens Wohnorte
Allein die Anzahl der Wiener Wohnungen des
Komponisten beläuft sich ohne die Quartiere,
die er während der Sommermonate bewohnte,
auf mindestens dreißig.
Beethoven galt als schwieriger Mieter.
Einerseits führte sein ungestümes Wesen
immer wieder zu Auseinandersetzungen mit den
benachbarten Mietern, andererseits hatte er
oft Sonderwünsche. So bevorzugte er vor
allem südseitig gelegene Wohnungen, die eine
gute Aussicht hatten und sich in ruhiger
Lage befanden; in Wien war es ihm wichtig,
in der Nähe der Innenstadt zu wohnen. Oft
hatte er bald nach seinem Einzug an der
Wohnung etwas auszusetzen und suchte sofort
eine neue Bleibe.
Seine erste Unterkunft in Wien befand sich
im Stadtpalais des Fürsten Lichnowsky (heute
Alserstraße 30), der ihn seit seiner Ankunft
in Wien unterstützte und förderte. Dort
wohnte er zunächst in der Mansarde, dann im
Erdgeschoss und schließlich im ersten Stock
als Gast des Hauses.
Lange Zeit lebte er im vierten Stock des
Hauses eines anderen adeligen Gönners, des
Barons Johann Baptist von Pasqualati
(1777-1830), in der heutigen Mölkerbastei
Nr. 8.
Das Wappen am Pasqualatihaus
Manchmal hatte er auch gleichzeitig zwei
Wohnungen, z.B. die Unterkunft in der
Mölkerbastei und eine Dienstwohnung im
Theater an der Wien (heute Linke Wienzeile
6).
Die Sommermonate verbrachte er oft außerhalb
der Stadt. Bevorzugte Orte in der Umgebung
Wiens waren Mödling und Baden.
Beethovenhaus in Mödling
Eine besonders schwierige Zeit seines Lebens
verbrachte er in Heiligenstadt (von Mai bis
Oktober 1802), das damals ein Dorf außerhalb
Wiens war. Dort schrieb er in der heutigen
Probusgasse Nr. 6 das "Heiligenstädter
Testament" nieder.
Beethoven starb 1827 im zweiten Stock des
Alten Schwarzspanier-Hauses (heute
Schwarzspanierstraße 15).
Beethovens finanzielle Verhältnisse
Als einer der ersten Künstler konnte Ludwig
van Beethoven von den Erträgen aus
Konzerten, Veröffentlichungen seiner Werke
und immer wieder großzügigen finanziellen
Zuwendungen seiner Gönner seinen
Lebensunterhalt bestreiten.
Beethoven wuchs in Bonn in bescheidenen
finanziellen Verhältnissen auf. Als 1789
sein Vater in den Ruhestand trat, übernahm
er es, für den Unterhalt seiner Brüder zu
sorgen. Er erreichte, dass ihm die Hälfte
der väterlichen Pension für diese Aufgabe
zugesprochen wurde. An der Entscheidung, für
die beiden jüngeren Brüder zu sorgen, hielt
er auch nach seinem Umzug nach Wien fest. Im
März 1794 stellte der Bonner Hof die
Zahlungen an Beethoven ein. Er hatte seinen
Unterhalt in der Zwischenzeit durch
Unterrichtsstunden, Aufführungen und
Veröffentlichungen gesichert. Außerdem
konnte er mit der Unterstützung des Wiener
Adels rechnen. Einflussreiche Familien wie
die Lichnowsky und die Lobkowitz förderten
ihn immer wieder durch finanzielle
Zuwendungen.
Von 1800 an bezahlte Fürst Karl Lichnowsky
Beethoven ein jährliches Gehalt von 600
Gulden. Im Sommer des Jahres 1806 kam es zu
einer großen Auseinandersetzung zwischen den
beiden Männern, und wir wissen nicht, ob
Beethoven dieses Gehalt noch weiter bezog.
Immerhin verfügte er damals über ein
jährliches Einkommen von mindestens 600
Gulden, im Vergleich dazu hatte sich sein
Bruder Caspar Anton, der mittlerweile nach
Wien gezogen war und im öffentlichen Dienst
stand, mit einem jährlichen Lohn von 250
Gulden zu begnügen.
Beethoven war sich der unsicheren Lage
bewusst, in der sich ein freischaffender,
von der Gunst der Mäzene abhängiger Künstler
befand. Deshalb unterzog er Angebote einer
höfischen Anstellung einer sorgfältigen
Prüfung. Ein solches Angebot verhalf ihm auf
indirektem Wege zu einem lebenslangen
"Stipendium". Ende 1808 wurde die Stelle des
zuständigen Generaldirektors für Theater und
Orchester am Kasseler Hof frei. Der
angesehene Komponist Johann Friedrich
Reichardt (1752-1814), der sie innegehabt
hatte, war beim König in Ungnade gefallen,
und man sah in Beethoven einen geeigneten
Kandidaten für die Neubesetzung. Im Januar
1809 sandte Beethoven seine Zusicherung nach
Kassel, er schien entschlossen zu sein, Wien
den Rücken zu kehren. Angesichts dieser
Möglichkeit setzten sich nun einige seiner
Freunde für sein Verbleiben ein. Sie
versuchten von einflussreichen und
zahlungskräftigen Mitgliedern des
österreichischen Hochadels die Zusage für
eine großzügige Unterstützung zu erlangen,
die den Komponisten endgültig an Wien binden
würde.
Erzherzog Rudolf,
Beethovens Schüler und Gönner
Erzherzog Rudolf (1788-1833), der Bruder des
Kaisers, Fürst Franz Joseph Maximilian
Lobkowitz (1772-1816) und Fürst Ferdinand
Kinsky (1781-1812) verpflichteten sich,
Beethoven auf Lebenszeit eine Jahresrente in
der Höhe von 4000 Gulden zukommen zu lassen,
mit der einzigen Bedingung, dass der
Komponist sich weiterhin die meiste Zeit des
Jahres in Wien aufzuhalten hatte. Der
Erzherzog zahlte 1500 Gulden, Fürst Kinsky
1800 Gulden und Fürst Lobkowitz 700 Gulden.
Nach anfänglichen Verzögerungen - Fürst
Kinsky war nach der Zusage nach Prag
abgereist und hatte keine Anordnungen für
die Auszahlung des Betrages in Wien
hinterlassen - bezog Beethoven seine
Jahresrente vorerst regelmäßig.
In diesen Jahren erhielt er außerdem
erhebliche Beträge vom Verleger Breitkopf &
Härtel; trotzdem soll er sich immer wieder
darüber beklagt haben, zuwenig Geld zur
Verfügung zu haben. 1811 kam es in der
Monarchie zu einer drastischen Abwertung des
Guldens, und Beethoven musste bei seinen
Gönnern um die Anhebung der Jahresrente
ansuchen. Erzherzog Rudolf erklärte sich
sofort dazu bereit, und auch Fürst Kinsky
war damit einverstanden, doch starb er 1812
an den Folgen eines Reitunfalls, und erst
1815 wurde die Frage der Zahlungen mit
seinen Erben geklärt. Fürst Lobkowitz war
durch seinen aufwendigen Lebensstil 1813 an
den Rand des Bankrotts geraten - er war
einer der bedeutendsten privaten Mäzene und
hatte 1811 auch die Leitung des Hoftheaters
übernommen, was mit finanziellen
Verpflichtungen verbunden war. Über den Rest
seines Vermögens konnte er nicht mehr frei
verfügen, und Beethoven erhielt erst 1815
nach langwierigen Verhandlungen mit den
Vermögensverwaltern die ausständigen
Zahlungen von Fürst Lobkowitz; danach bezog
er die jährlichen Beträge anstandslos bis zu
seinem Tod.
1815 brachten seine Auftritte während des
Wiener Kongresses neben dem Ruhm auch hohe
finanzielle Gewinne, die er unter anderem in
Aktien anlegte. In dasselbe Jahr fällt der
Tod seines Bruders Caspar. In einem
langwierigen Rechtsstreit kämpfte Beethoven
um die Vormundschaft von Caspars Sohn Karl.
Allein die Gerichtskosten stellten eine
erhebliche finanzielle Belastung dar, und
das zeitweilige Nachlassen seiner
Kompositionstätigkeit während dieser Zeit
machte sich auch in materieller Hinsicht
bemerkbar. Das Gericht sprach ihm
letztendlich die Vormundschaft über Karl zu,
und Beethoven hatte nun auch für den
Unterhalt und die hohen Schulkosten seines
Neffen zu sorgen.
Beethoven im Jahre 1823
Zu Beginn der zwanziger Jahre hatte er große
Schulden, so dass er gezwungen war, ein
Darlehen aufzunehmen, dessen Rückzahlung er
durch den gleichzeitigen Verkauf seiner
Kompositionen an verschiedene Verleger
sichern wollte. Da ihm dies nicht gelang,
musste er schließlich einen Teil seiner
Aktien verkaufen.
Die letzten Jahre seines Lebens lebte
Beethoven im Glauben, dass er arm sei. Nach
seinem Tod stellte es sich jedoch heraus,
dass er nach der Liquidation seiner Aktien
und der Einforderung offenstehender
Zahlungen seinen Erben fast 10.000 Gulden
hinterließ.
Personen aus Beethovens Freundeskreis
Brentano, Antonie (1780-1869)
Gute Freundin Beethovens und möglicherweise
die beabsichtigte Empfängerin seines
berühmten Briefs an die „Unsterbliche
Geliebte" vom Juli 1812. Verheiratet mit
Franz Brentano (23. Juli 1798). 1823 widmete
ihr Beethoven die „Diabelli-Variationen".
Erdödy, Gräfin Anna Marie (1778-1837)
Ungarische Musikliebhaberin, verheiratet mit
Graf Peter Erdödy. Im Jahre 1808 lebte
Beethoven für kurze Zeit in ihrem Haus
(heute Beethoven-Gedenkstätte Florisdorf).
Beethoven widmete ihr seine Trios op. 70 und
die Wiener Ausgabe der Cellosonaten op. 102.
Galitzin, Fürst Nikolaus Borissovich
(1794-1866)
Russischer Fürst und großer Bewunderer von
Beethovens. Gab drei Streichquartette (op.
127. 132 und 130) bei Beethoven in Auftrag.
Diese Werke sowie die Ouvertüre „Die Weihe
des Hauses" hat der Komponist ihm gewidmet.
Fürst Galitzin organisierte die erste
Aufführung der „Missa solemnis" in St.
Petersburg.
Lichnowsky, Fürst Karl (1756-1814)
Bedeutender Mäzen, der Beethoven vor allem
während der ersten Wiener Jahre förderte.
1793 bis 1795 wohnte Beethoven in seinem
Palais in der Alserstraße. Lichnowsky sind
die Trios op. 1, die Klaviersonaten op. 13
und 26, eine Variationsreihe und die zweite
Sinfonie gewidmet.
Lobkowitz, Fürst Franz Joseph Maximilian von
(1772-1815)
Auch Fürst Lobkowitz zählt zu den
bedeutenden Förderern Beethovens. Er stellte
ihm sein privates Orchester für Proben und
nichtöffentliche Aufführungen zur Verfügung.
Beethoven probte etwa die Eroica vor ihrer
Erstaufführung mehrmals mit diesem
Orchester. Dem Fürsten Lobkowitz sind die
Quartette op. 18, das Tripelkonzert, das
Quartett op. 74, der Liederzyklus „An die
ferne Geliebte" sowie die Sinfonien Nr. 3,
Nr. 5 und Nr. 6 gewidmet.
Rasumovsky, Graf Andreas Kirillovich
(1752-1836)
In Wien lebender russischer Gesandter,
Musikliebhaber und Kunstsammler; er
unterhielt ein eigenes Streichquartett,
welches als Rasumovsky-Quartett in die
Wiener Musikgeschichte einging. Als Dank für
die Großzügigkeit des Grafen ihm gegenüber
widmete ihm Beethoven seine drei Quartette
op. 59 und, neben dem Fürsten Lobkowitz, die
fünfte und die sechste Sinfonie.
Rudolf, Erzherzog von Österreich (1788-1831)
Bruder von Kaiser Franz. Er trat 1805 in den
geistlichen Stand und wurde 1819 zum
Erzbischof von Olmütz gewählt. Er war ein
hervorragender Pianist und
Gelegenheitskomponist und lange Jahre
Beethovens Schüler, der in im Klavierspiel,
in Musiktheorie und in Komposition
unterrichtete. Um Beethoven in Wien zu
halten, unterzeichnete er 1809 zusammen mit
den Fürsten Lobkowitz und Kinsky einen
Pensionsvertrag, der dem Komponisten als
lebenslange Rente jährlich 4000 Gulden
zusicherte. Beethoven hat Erzherzog Rudolf
weitaus mehr Kompositionen als irgend jemand
anderem gewidmet: das vierte und das fünfte
Klavierkonzert, die Klaviersonate „Les
Adieux", die Missa solemnis und die Große
Fuge op. 133 - um nur einige zu nennen. |