Das Rittertum
Die
Entstehung des Rittertums
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Die
Geschichte des Rittertums begann in der ersten Hälfte des 8.
Jahrhunderts n. Chr. In einer Zeit, in der die Anhänger des
Propheten Mohammed nach der Eroberung Vorderasiens und
Nordafrika nun auch nach der Herrschaft über Westeuropa griffen.
In der abendländischen Christenheit erweckten die neuen Nachbarn
Misstrauen und Furcht. Aus guten Gründen. Denn die Eroberung
Spaniens war ja kein gewöhnlicher Krieg gewesen, sondern ein "Dschihad",
ein Religionskrieg, der vor allem ein ziel verfolgte: den Islam
mit Feuer und Schwert auszubreiten. Und dieses Ziel bestand auch
nach der Eroberung Spaniens fort.
Der erste, der aus dieser Einschätzung der Lage seine
Schlussfolgerung zog, war der fränkische Kanzler Karl Martell
(741-768). Besorgt hatte er sich von der eigentümlichen
Angriffstaktik der Mohammedaner berichten lassen. Diese
fanatischen Kämpfer brausten auf ihren schnellen Pferden wie ein
Gewittersturm heran, überschütteten den Gegner mit einem Hagel
von Pfeilen, griffen, nachdem sie die feindliche Schlachtordnung
so in Unordnung gebracht hatten, von mehreren Seiten zugleich
an, zogen sich aber, wo sie auf unüberwindlichen Widerstand
stießen, unvermittelt zurück, um urplötzlich aus einer anderen
Richtung wieder aufzutauchen und das tödliche Spiel von neuem zu
beginnen. Konnten die schwerfälligen fränkischen Fußtruppen
einem so unberechenbaren Gegner auf Dauer standhalten?
Für den kriegserfahrenen Karl Martell war die Antwort auf diese
Frage klar:
Wollte das fränkische Reich nicht das gleiche Schicksal erleiden
wie soeben Spanien, dann musste es den Reiterarmeen der
Mohammedaner eine eigene schlagkräftige Reiterarmee
entgegensetzen. Und so geschah es. In den folgenden Jahren
bauten die Franken eine Truppengattung auf, die man heute als
"fränkische Panzerreiter" bezeichnet - die Vorläufer der spätern
Ritter.
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Bild oben rechts
=> Die beiden typischen Angriffswaffen des Ritters waren die schwere
Lanze und das gerade Schwert. Seltener kämpfte er mit der Streitaxt (a),
dem Streitkolben (b) oder (seit dem 15. Jahrhundert) mit dem
Streithammer (c).
Die Ausbildung zum Ritter
Schon im Alter von sieben Jahren wurde aus dem Kind der "Page", was
bedeutete, dass der Knabe aus de Obhut der Frauen in die Schule der
Männer überging.
Der Umgang mit den ritterlichen Waffen spielte nur eine untergeordnete
Rolle.
Denn zuvor hatte der Knabe das Ritter-ABC zu erlernen: reiten,
schwimmen, Bogenschiessen, Faustkampf und Vogelfallen aufstellen. Das
einüben fand unter den Augen des Vaters, der Brüder oder eines
bestellten Erziehers statt.
Dann, im Alter von vierzehn Jahren, musste der Page das Elternhaus
verlassen, um nun als "Knappe" seine Ausbildung bei einen anderen Ritter
fortzusetzen.
Ziel der Knappen-Ausbildung war es, den vollkommenden Ritter
heranzubilden. Dabei lag das Hauptgewicht naturgemäß auf den
verschiedenen Kampftechniken. Geübt wurden die Treffsicherheit beim
Anrennen mit der Lanze sowie der Kampf mit Schwert, Streitkolben oder
Streitaxt, wobei die Ausbilder darauf Wert gelegt hatten, dass der
Knappe mit beiden Händen diese Waffen gleichgut handhaben konnte.
Ein wohlerzogener Knappe musste das Tanzen, die Manieren und die
Brettspiele beherrschen können.
Nicht selten endete das Leben des Knappen tragisch. Zwar war er noch
kein richtiger Krieger, aber er hatte doch die Pflicht, seinem Herrn im
Kampf zu begleiten, durfte ihm im Getümmel nicht von der Seite weichen
und musste mutig dazwischen gehen, wo tödliche Gefahr drohte. Die Folge
dieser früh eingeschärften Treuepflicht war, dass so mancher Knappe
einen frühen Heldentod starb.
Hatte ein Knappe seine militärischen Fähigkeiten voll entwickelt und
hatte er auch seine Charakterfähigkeit unter Beweis gestellt, dann
konnte er zum Ritter befördert werden.
Die
Turniere
Als "Turniere" bezeichnet man die so charakteristischen Kampfspiele, bei
denen Ritter und Knappe vor einem begeisterten Publikum ihre
Geschicklichkeit im Waffenhandwerk und ihren Mut unter Beweis stellen
konnten. Auf Turnieren zu kämpfen war früher jeden echten Ritter nicht
nur ein Vergnügen, die Telnahme bedeutete auch eine hohe Ehre. Das
Mittelalter kannte drei unterschiedliche Formen des Turniers: Buhurt,
Tjost und Turnei.
Der Buhurt war ein Massenkampf zwischen zwei gleichgroßen und
gleichstarken Heerhaufen. Gekämpft wurde allerdings nur mit stumpfen
Waffen. Sonst aber ging alles genauso zu wie im Kriege.
Im Gegensatz zum Buhurt war der Tjost ein Zweikampf. Er begann stets mit
einen Lanzenstechen. Nicht selten wurde beim Tjost auch mit scharfen
Waffen gefochten.
Ein Mittelding zwischen Buhurt und Tjost war der Turnei. Hier kämpften
auf einem kleinen Turnierfeld zwei überschaubare Gruppen mit stumpfen
Lanzen gegeneinander. Sieger war die Partei, die im Kampf Mann gegen
Mann die meisten Gegner aus dem Sattel werfen konnte.
Ungeachtet aller Gefahren war das Turnier vor allem für die jüngeren
Ritter eine Bühne, auf der sie ihre Vorzüge ins rechte Licht setzen
konnten, um so eines Tagen zu erlangen, was sie sich am meisten
wünschten: Ruhm und Ehre, fette Beute, einen angesehenen Dienstherren
und eine reiche Frau.
Die Rüstung
1. Stufe (ca. 1050-1220)
Im Grunde war der Ritter dieser Zeit noch immer der alte fränkische
Panzerreiter. Mit zwei wichtigen Ausnahmen. Erstens wich der alte
Schuppenpanzer jetzt endgültig dem Kettenhemd, das vom Kopf bis zu den
Knien reichte und durch Kettenstrümpfe ergänzt wurde. Und zweitens
bevorzugte man nun Helme mit einem Gesichtsschutz, zuerst in Form eines
angeschmiedeten Nasenschutzes, später (seit ca. 1170) auch in Form einer
Platte mit Augenlöchern: der so genannten Barbiere.
2. Stufe (seit ca. 1220)
Die wichtigste Neuerung dieser Stufe war der vollkommene Schutz des
Gesichtes durch den so genannten Topfhelm, den der Ritter vor dem Kampf
über die Kettenhaube seines Kettenhemdes stülpte. Die Einführung dieses
Helmungetüms hatte allerdings eine wichtige Konsequenz: fortan wusste
niemand mehr, wen er im Getümmel eigentlich vor sich hatte. Um
Verwechslungen zu vermeiden, brauchte man also ein Erkennungszeichen.
Das war die Geburtsstunde des Wappens: so nennt man die farbigen Zeichen
oder Bilder, durch die man den Ritter schon von weitem ausmachen konnte.
Wappenzeichen schmückten von nun an den Topfhelm, den über der Rüstung
getragenen Waffenrock, den Schild, den Wimpel und die Pferdedecke.
=> Dieser Topfhelm aus der Sammlung
des Germanischen Nationalmuseums
in
Nürnberg entstand um 1350
und gehörte einem süddeutschen Ritter.
3. Stufe (seit ca. 1250)
Kettenhemden boten gegen weittragende Pfeile, Armbrustbolzen und
Lanzenstiche keinen vollkommenen Schutz. Deshalb verstärkten die Ritter
ihre Rüstung, indem sie über dem Kettenhemd noch einen Brustpanzer
trugen, der aus Eisenplatten zusammengenietet und der Körperform
angepasst war. Dieser Brustpanzer war der erste Schritt auf dem Weg zur
vollständigen Plattenrüstung.
Marschall Hüglin von Schönegg. Außer dem Brustpanzer trägt der Ritter
auch an Schultern und Knien schützende Metallplatten (Grabfigur in der
Leonhardskirche Basel, um 1377)
4. Stufe (seit Anfang des 14. Jahrhunderts)
Zum Brustpanzer kamen auf dieser Stufe weitere Eisenplatten, die
wichtige Körperpartien zusätzlich schützen sollten: die Schultern, die
Knie und andere Stellen.
Der heilige Mauritius als Ritter im Kettenhemd mit darüber geschnalltem
Brustpanzer (Statue im Magdeburger Dom, Mitte des. 13. Jahrhunderts).
Solche Brustpanzer zur Verstärkung der Rüstung hat man unter anderem in
einem Massengrab auf der Ostseeinsel Gotland gefunden.
5. Stufe (ende 14. Jahrhunderts)
Auf dieser Stufe war die vollständige Plattenrüstung fast erreicht. Vom
alten Kettenhemd war nur noch eine Art Halskragen übrig geblieben, der
bis zum Helm hinaufreichte. Dieser war nach wie vor geschlossen, hatte
jetzt aber eine elegantere Form als der traditionelle Topfhelm und
konnte durch ein aufklappbares Visier vor dem Gesicht geöffnet werden.
So lebten die Ritter
Selbstverständlich wohnte ein richtiger Ritter auf einer richtigen Burg
- so glauben die meisten. Doch das stimmt nicht. Denn um eine Burg bauen
und unterhalten zu können, musste man über sehr viel Geld verfügen. Sehr
viel Geld aber hatten nur der Hochadel und vielleicht noch ein paar
reich gewordene Ministerialen. Dagegen lebten die meisten Ritter in
bescheidenen Verhältnissen, hatten also nicht die geringste Aussicht,
jemals Burgherr zu werden. Wo dennoch Ritter ohne Vermögen auf Burgen
wohnten, da taten sie es als Angestellte ihres Dienstherrn: als
Burgvögte, Verwalter, Waffenmeister, Jagdaufseher und so weiter.
Die Mehrzahl der einfach Ritter aber lebte draußen auf dem Lande, meist
in einem Dorf, das zu ihrem Leben gehörte, umgeben von den Bauern und
Leibeigenen. Über ihre eigenen Häuser weiß man nicht allzu viel.
Vermutlich waren die meisten aus Stein gebaut, besaßen an den Ecken
kleine Erker, aus denen man ein freies Schussfeld hatte, und wurden
durch einen schmalen Wassergraben geschützt.
Im Inneren gab es gewöhnlich zwei Räume: ein Wohn- und Empfangszimmer,
indem auch gekocht und gegessen wurde, und ein Schlafzimmer für die
ganze Familie. Eingerichtet war ein solches Ritterhaus nur mit dem
Allernötigsten: mit Tischen, Bänken, Schemeln, Betten, Truhen, viel
Stroh und wenig Stoffen. Alles in allem also nicht gerade das, was man
sich im allgemeinen unter einem ritterlichen Haushalt vorstellt.
Das Frauenleben in der
Ritterzeit
Auch die Töchter der Ritter wurden durch eine besondere Erziehung auf
ihre zukünftigen Aufgaben vorbereitet. Auf der väterlichen Burg oder bei
einem benachbarten Ritter erlernten die Mädchen, neben den in den hinten
stehenden Bildern dargestellten Fähigkeiten, vor allem das höfische
Benehmen. Manchmal sogar Fremdsprachen, wie Französisch und Latein. Doch
die Rolle der künftigen Hausfrau musste erlernt werden. Alle
Kleidungsstücke mussten von der Burgherrin und ihre Mägden selbst genäht
werden. Frauen hatten kaum Rechte in der Ritterzeit.
So beschäftigten sich Ritter
in Friedenszeiten
Wenn ein Ritter nicht kämpfen konnte, war seine Lieblingsbeschäftigung
die Jagd. Ritter sein und jagen - das waren zwei Seiten derselben
Medaille.
Um ihrer Jagdleidenschaft zu frönen, kannten die Ritter keine
Rücksichten. Manche Bauernaufstände wurden dadurch ausgelöst, dass die
vom Jagdfieber Getriebenen bei der Hatz auf Hirsche, Rehe oder
Wildschweine mitten durch die Saaten preschten, das reife Korn
zertraten, Zäune niederrissen und auch sonst keine Rücksichten kannten.
Das alles war tausendmal bestätigtes Herrenrecht.
Als besonders vornehm galt die Falkenjagd. Die Abrichtung eines
Greifvogels war ein müheseliges Geschäft und dauerte Jahre. Das Ziel war
das das Tier in sekundenschnelle auf seine Beute gestürzt ist: tollkühn
und todbringend wie ein Ritter in der Schlacht.
Der Niedergang des
Rittertums
Gegen Ende des 15. Jahrhunderts hatten die Ritter ihre Rolle im
Alltagsleben der europäischen Staaten und Völker endgültig ausgespielt.
Sie hatten sich überlebt - auf dem Schlachtfeld ebenso wie als
gesellschaftliche Klasse. Doch bevor die Erinnerung an sie verblasste,
erlebten die ritterlichen Ideale noch einmal eine kurze, aber glanzvolle
Blütezeit.
Der Anstoß dazu ging vom Hochadel aus. Während sich ringsum die
ritterliche Welt von einst auflöste, blieb bei Baronen, Grafen, Fürsten
und Königen eine starke Sehnsucht nach der guten alten Zeit lebendig -
nach einer Zeit, in der das Ideal vom "Ritter ohne Furcht und Tadel" das
Leben aufregend und zugleich sinnvoll gemacht hatte. Dieses Ideal einer
glanzvollen Vergangenheit wiederzubeleben. Schien ihnen auch ein
wirksames Mittel zu sein gegen die geistigen Umwälzungen in einer Zeit,
die im Begriffe stand, zu neuen Horizonten aufzubrechen und deshalb
vielen nicht geheuer war.
Eine hektische Betriebsamkeit setzte ein. Überall in Europa entstanden
neue Ritterorden und Ritterbruderschaften, die ihre Mitglieder auf eine
ritterliche Lebensweise einschworen. Doch für eine neue Ritterschaft gab
es schon längst keine wirklich Aufgaben mehr. So erschöpfte sich dieses
ganze Tun und Treiben rasch in einer Art Gesellschaftsspiel: in
bedeutungsschweren Aufnahmezeremonien, feierlichen Gelöbnissen,
festlichen Auftritten und allerlei "Kulissenzauber", wie ein bekannter
Historiker das zutreffend genannt hat.
Ihren weithin sichtbaren Ausdruck aber fand die neue Ritterbegeisterung
vor allem in den phantastisch herausgeputzten Turnieren, wie sie an den
großen europäischen Fürstenhöfen, aber auch in vielen Städten in Mode
kamen. Um die größte Prachtentfaltung bei diesen sündhaft teuren
Veranstaltungen wetteiferten miteinander der englische König Heinrich
VIII. (1515-1547), die selbst erfolgreich an solchen Turnieren
teilnahmen. An Begeisterung und Glanz weit übertroffen aber wurden beide
von ihrem strahlenden Konkurrenten, dem deutschen König und späteren
Kaiser Maximilian I. (1486-1519), den schon seine Zeitgenossen den
"letzten Ritter" nannten.
Zu Recht! Denn Maximilian, der in seiner Person Wirklichkeitssinn und
romantische Schwärmerei vereinte, meinte es mit der Wiederbelebung der
ritterlichen Ideale ernst. Redlich bemühte er sich darum, als Ritter zu
leben und seiner Umgebung und seiner Zeit ein ritterliches Vorbild zu
geben. Seine Turniere waren in ihrer prunkvollen Ausstattung
einzigartig. An ihnen teilnehmen zu dürfen, galt als eine hohe Ehre. Der
Kaiser selbst war ein leidenschaftlicher Turnierreiter und einer der
besten: ihn zu besiegen, gelang nur wenigen.
Doch der Zauber, wie es von Maximilian und seinesgleichen ausging,
konnte auf Dauer nicht darüber hinwegtäuschen, das der späten
Ritterbegeisterung etwas Künstliches und Theatralisches anhaftete. So
hielt denn auch die Hochstimmung nicht lange an. Als im Jahre 1559 der
französische König Heinrich II. durch den splitternden Schaft einer
Turnierlanze umkam, verbot sein Nachfolger solche Veranstaltungen für
immer. Und bald darauf stellte man auch im übrigen Europa den
Turnierbetrieb ein.
Am Ende des Mittelalters versuchten viele Ritter die finanzielle
Notlage, in die sie geraten waren, mit Gewalt zu bessern, indem sie als
"Raubritter" Kaufleute und andere Reisende ausplünderten. Schließlich
mussten die Landesherren gegen die Verbrecher einschreiten und ihre
Burgen zerstören. |