Effi Briest
1. Kurzvorstellung des Romans:
Effi Briest ist der drittletzte von Fontanes Romanen und gehört zu
seinen erfolgreichsten Werken, sowohl zu Lebzeiten wie auch nach seinem Tod.
Er erschien im Vorabdruck von Oktober1894 März 1895 in der Deutschen
Rundschau. Die Erstausgabe kam im Oktober 1895 mit dem Impressum zusammen
ein Jahr später im Verlag von Fontanes Sohn heraus. Die Arbeit an dem Roman
lässt sich nicht genau festlegen, da Fontane sie unterbrechen musste, weil
er an einer schweren psychosomatischen Krankheit litt (Schaffenskrise;
Selbstzweifel und das Versagen der Inspiration). Also widmete er sich
zwischenzeitlich seiner Autobiographie „Meine Kinderjahre".
Effi Briest ist ein Liebes- und Eheroman, eine Ehebruch- und
Duellgeschichte. Erzählt wird von der jungen lebenslustigen Effi, die von
ihren Eltern mit dem älteren, gesellschaftsorientierten Baron von Innstetten
verheiratet wird. Effi ist eine verspielte Kindfrau, die einsam und
unverstanden von ihrem strengen Ehemann in der Spukatmosphäre eines alten
Hauses leben muss, fern von ihren Eltern und Hohen-Cremmen. Auch nach der
Geburt ihrer Tochter Anni ändert sich an Effis Situation nicht viel. Sie
flüchtet sich in die Arme des „Damenmannes" Crampas. Als dieses Verhältnis
dann ca. 7 Jahre später zufällig ans Licht kommt, wird Effi von ihrem Mann
verstoßen und Crampas im Duell erschossen. Effi, von ihrem Kind getrennt,
lebt fortan isoliert von Mann, Eltern und jeglicher Gesellschaft einsam in
Berlin. Die nervliche Belastung macht Effi todkrank und so darf sie am Ende
des Romans wieder auf das elterliche Gut zurück, wo sie gelassen und
versöhnt sterben kann.
Effi Briest schließt in seiner Thematik an vier zuvor von Fontane
veröffentlichte Romane an (L`Adultera, Cecile, Graf Petöfy,
Unwiederbringlich). Das gemeinsame Grundthema ist die Brüchigkeit der
Ehe.
Effi Briest ist nur ein Beispiel für einen gesellschaftskritischen
Roman. Weitere Beispiele, die auch häufig im Unterricht verwendet werden
sind „Der Untertan" von Heinrich Mann oder „Die Deutschstunde"
von Siegfried Lenz.
2. Historischer Kontext:
Den meisten Romanen von Fontane liegt ein tatsächliches Ereignis
zugrunde, von dem der Autor aus Zeitung oder Gespräch erfuhr. Dabei handelt
es sich oft um kurze Nachrichten aus dem Gesellschaftsleben, die den Kern
des Werkes bildeten, aber dem Schreiber die Freiheit der weitgehenden
Ausgestaltung ließen. Die Ereignisse selbst stammten oft aus der
unmittelbarsten Gegenwart, die Personen lebten in unmittelbarer Nähe des
Schriftstellers, der sie manchmal sogar selber kannte.
Im Falle Effi Briest bildet die Geschichte von Armand und Else
Ardenne die Grundlage. Mit den Schülern könnte man den historischen Stoff so
bearbeiten, dass man ihnen eine gekürzte Zusammenfassung in Textform gibt,
wo sie Unterschiede und Gemeinsamkeiten herausarbeiten können. Die
Ergebnisse können dann z.B. in Form einer tabellarischen Gegenüberstellung
an der Tafel zusammen gefasst werden.
Die Skandalgeschichte: Der historische Stoff
Die Ehegeschichte Armands und Else von Ardennes bildete die Vorlage für
Fontanes Roman. Öffentlich bekannt geworden war diese Geschichte durch ihr
Ende: ein Duell, das im Jahre 1886 öffentlich ( Zeitung und Reichstag )
starke Beachtung fand.
Die 1853 auf einem märkischen Landgut geborene Elisabeth Freiin von
Plotho ist das jüngste von fünf Kindern und wächst wild und eigenwillig auf.
Sie wird von dem fünf Jahre älteren Fähnrich Armand Leon von Ardenne
umworben.
Der Ausbruch des deutsch-französischen Krieges 1870 bringt eine
Annäherung der Beiden, da Armand bei den Zieten-Husaren in Rathenow in der
Nähe des Landguts von Plotho dient. 1871 findet die Verlobung der beiden
statt. Elisabeth, die von ihrer Mutter Else gerufen wird, war bereits
zweimal verlobt. Die Verlobung mit Ardenne kommt nach mehreren vergeblichen
Abweisungen durch Else unter Vermittlung der Mutter zustande. 1873 heiraten
die Verlobten.
Nach der Geburt einer Tochter und eines Sohnes und Aufenthalten in
Berlin, Düsseldorf und Metz kehrt Ardenne als Rittmeister zu den Husaren
nach Düsseldorf zurück. Hier versammelt das Ehepaar einen Kreis von
Künstlern und gelehrten um sich und insbesondere die Anmut und Poesie der
Frau von Ardenne üben eine intensive geistige Anregung auf den Freundeskreis
aus. Sehr nahe steht dem Hause Ardenne das Haus des Amtsrichters Hartwich.
Der Amtsrichter, dessen Ehe nicht glücklich zu sein scheint, versteht es
sich in unaufdringlicher weise, sich Frau von Ardenne immer unentbehrlicher
zu machen. Mit 31 Jahren geht Else mit Hartwich eine Beziehung ein, die auch
fortdauert, als Ardenne 1884 an das Kriegsministerium nach Berlin
abkommandiert wird. Die Beziehung Else von Ardennes zu Hartwich geht sogar
soweit, dass der gemeinsame Plan reift, sich von den Ehegatten scheiden zu
lassen und selbst eine Ehe einzugehen. Der misstrauisch gewordene von
Ardenne entdeckt in einer verschlossenen Kassette Hartwichs Briefe an seine
Frau und legt diese dem Scheidungsrichter vor. Ardenne fordert Hartwich zum
Duell, das am 27.11.1886 mit der schweren Verwundung Hartwichs endet. Am
01.12 stirbt Hartwich an den Folgen der Verwundung.
Im Frühjahr wird die Ehe Ardenne geschieden, die Kinder werden dem Vater
zugesprochen. Von Ardenne wird nach kurzfristiger Festungshaft wegen
Duellvergehens vom Kaiser begnadigt, bleibt im Kriegsministerium und ist zur
Entstehungszeit von Fontanes Roman im Landwehr-Dragonenregiment. 1896 wird
er Oberst und erhält weitere militärische Ränge.
Die geschiedene Else von Ardenne widmet sich dem Dienst an
hilfsbedürftigen und kranken Menschen und stirbt 1952 fast 100jährig am
Bodensee.
3. Der gesellschaftliche Kontext
Als ein Beispiel für die Behandlung des gesellschaftlichen
Kontext im Unterricht greifen wir uns an dieser Stelle exemplarisch einen
Punkt heraus, nämlich das Duell.
Um auf die eigentliche Behandlung des Duells zu kommen, leitet man das
Thema mit einer erfundenen Variante ein:
"Frau von Crampas hat im verschlossenen Sekretär ihres Mannes Effis
Liebesbriefe entdeckt. Sie fordert Effi Briest zum Duell, Roswitha soll
die Forderung überbringen."
Anschließend werden die Schüler befragt, warum Fontane wohl diese
Variante verworfen hat. Dabei könnte man z. B. auf Ergebnisse kommen, wie:
- das gewählte Rollenszenario ist mit dem damaligen
Rollenverständnis der Frau nicht zu vereinbaren,
- die Folgerung wäre daraus, dass das Duell, als Instrument zur
Ehrenrettung, auch Ausdruck eines bestimmten Männlichkeitsbildes
ist,
- Männer befinden über das Schicksal ihrer Frauen (Frau von
Crampas' wie auch Effis) und ihrer Kinder (wie im Falle von Annie),
- das Duell entsteht hier auf Grund verletzter Männerehre, obwohl
doch auch die Ehre einer Frau (Frau von Crampas) verletzt wurde.
Mit dieser Diskussion befindet man sich schon ganz in der Bearbeitung des
gesellschaftlichen Hintergrundes. Da das eigentliche Duell im Roman sehr
kurz besprochen wird, ist vielmehr der vorherige Dialog zwischen Innstetten
und Wüllersdorf das entscheidende Element.
Textgrundlage: Dialog Innstetten - Wüllersdorf, Kap. 27
Bei der Bearbeitung des Dialogs sollen die Schüler unterschiedliche
Erkenntnisse machen. Hierzu werden ihnen Fragen gestellt.
Weshalb bittet Innstetten Wüllersdorf um ein Gespräch?
- will ihn um Sekundanz im Duellgeschehen bitten,
- hat daher den Entschluß zu Duell schon gefaßt,
- es soll sich um kein entscheidungsfindendes Gespräch handeln
In welchem Verhältnis stehen Innstetten und Wüllersdorf?
- freundschaftliches Vertrauensverhältnis,
- Dienstverhältnis: Innstetten ist Ministerialrat und Wüllersdorf
ranghöherer Ministeraldirektor
Diese beiden Aspekte, die Bitte um Sekundanz und das Wissen um die
gesellschaftliche Position des Gesprächspartners haben Folgen für
Innstettens verspätete Einsicht, dass er selbst es war, der das Spiel aus
der Hand gab. Ehebruch ist keine private Angelegenheit mehr, sondern in das
Forum einer bestimmten gesellschaftlichen Öffentlichkeit geraten.
Was hat sich durch die Mitwisserschaft Wüllersdorfs in der
Ehebruchgeschichte verändert?
- Innstetten steht jetzt unter bestimmten Handlungszwängen,
- er hat eine Mitwisser und steht unter Kontrolle
- die zunächst so vertrauliche Aussprache unter Freunden macht die
Duellentscheidung unwiderruflich
Weitere Aspekte des Dialoges sind:
- die Duellentscheidung entspringt nicht der Spontaneität eines
ehrverletzten Mannes, sondern der Verpflichtung gegenüber noch
gültigen gesellschaftlichen Ritualen,
- Innstetten ist ohne jedes Gefühl von Rache oder Hass,
- Innstetten hat keine überzeugenden persönlichen Argumente,
deshalb wirkt seine Entscheidung unglaubwürdig,
- Dialog soll zeigen, dass I. und W. sich selbst nur als
Ausführungsorgane des herrschenden Ehrenkodex sehen, keiner von
beiden sieht die Duellentscheidung persönlich als notwendig an,
- es geht hier um Wert- und Ehrbegriffe, nicht um persönliche
Gefühle oder Logik,
- beide zeigen eher Skepsis als Überzeugung,
- beide sind Repräsentanten der Bismarckschen
Ministerialbürokratie, die ihre eigene Hilfslosigkeit durch
gesellschaftliche Logik zu überspielen versuchen,
- die Frage, warum keine Handlungsalternativen gefunden werden,
bleibt außer der Fixierung auf ständisches Statusbewusstsein und
Sicherung gesellschaftlicher Integration offen
Nachdem man diesen Dialog im Unterricht bearbeitet hat kann man den
Schülern nun Materialien aus der damaligen Zeit geben.
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Duell-Szene
(ein Mausklick auf die Miniatur öffnet das Bild in einem
eigenen Fenster)
Quelle:
Schafarschik, Walter (Hrsg.): Erläuterungen und Dokumente zu
Theodor Fontane, Effi Briest, Stuttgart: Reclam, 1975, S. 159. |
Duell-Protokoll
(ein Mausklick auf die Miniatur öffnet das Bild in einem
eigenen Fenster)
Quelle:
Schafarschik, Walter (Hrsg.): Erläuterungen und Dokumente zu
Theodor Fontane, Effi Briest, Stuttgart: Reclam, 1975, S. 163. |
Betrachtet man die gültigen Strafrechtsbestimmungen des deutschen Reiches
zur damaligen Zeit, so stellt man fest, dass das Duell rechtswidrig war und
geahndet werden musste. Das dies in der Duellpraxis eher Billigung fand und
die Bestrafung nur Symbolcharakter hatte, beweist auch die Bestrafung
Innstettens (der Minister fand alles Geschehene in Ordnung und der Kaiser
setzte 6 Wochen Festungshaft fest). Es wäre damals wohl eher zu einer
Missbilligung des Duellverzichts gekommen. Das Duell fungierte als
Konvention und Abgrenzungsprivileg für eine ständisch- aristokratische
Sondergerichtsbarkeit. Das Reglement des Ehrenkodex ersetzte die
individuelle Duellentscheidung und den Ablauf des Duells selbst (Wahl der
Sekundanten, Wahl der Waffenart, Überbringen der Forderung, Festlegung des
Kampfplatzes, Kampfbedingungen, Unterzeichnen des Duellprotokolls durch die
Sekundanten).
4. Die Personen:
Im Unterricht wird vorrangig meistens zunächst eine Charakterisierung der
Haupt- und Nebenfiguren vorgenommen. Aber was heißt das nun genau Effi,
Innstetten usw. zu charakterisieren ? Wie können die Schüler vorgehen, um
die Personen zu charakterisieren ?
Zunächst wäre es hilfreich noch einmal festzulegen, was bei der
Charakteristik zu beachten ist, was heißt eigentlich Charakteristik ?
Charakteristik .....
- Schilderung eines Menschen, so dass man ihn sich als Individuum
vorstellen kann
- Einen Menschen charakterisieren heißt, ihn mit solchen Begriffen
kennzeichnen, dass er für Dritte erkennbar wird
- Es wird vor allem Äußeres wiedergegeben, von dem aus auf Inneres
geschlossen werden kann. (vgl. Fritsche (xxxx), Band 2)
Den Schülern müssen die verschieden Beobachtungspunkte verdeutlicht
werden, die man bei einer Person betrachten kann.
Oft verrät Sprache sehr viel und zwar nicht nur in dem, was die Person
sagt, sondern auch in dem, wie sie es sagt. Bedeutsam darüber hinaus ist die
Körpersprache (Mimik, Gestik). Auch das Drumherum der Person kann
aufschlussreich sein, etwa Kleidung /Schmuck und das, was sich im Umkreis
der Person befindet ( Möbel, Bilder,..).
Eine Verfahrensweise, um die typischen Charaktereigenschaften
herauszusuchen könnte sein, dass man für die verschiedenen Charaktere
verschiedene Farbstifte nutzt, um im Text Figurendarstellungen zu
unterstreichen. Zu entscheiden wäre auch noch, welche Personen
charakterisiert werden sollen.
....Alle waren erregt, und Crampas phantasierte von Robbenjagd, und
dass man das nächste Mal die Büchse mitnehmen müsse, „denn die Dinger haben
ein festes Fell." „Geht nicht", sagte Instetten
„Hafenpolizei!" „Die drei Behörden, die wir hier haben, werden doch
wohl untereinander die Augen zudrücken können. Muss denn alles so furchtbar
gesetzlich sein? Alle Gesetzlichkeiten sind langweilig!" Effi
klatschte in die Hände.
Crampas Effi Instetten
Die Schüler könnten einen Zitatenkatalog erstellen, wo wichtige
Textstellen verzeichnet sind, in denen eine Person in Aktion und in einer
für sie typischen Situation gezeigt wird.
Effi |
„Ich bin....für Zärtlichkeit und Liebe. Und wenn es
Zärtlichkeit und Liebe nicht sein können....dann bin ich für
Reichtum und ein vornehmes Haus ....Liebe kommt zuerst, aber gleich
hinterher kommt Glanz und Ehre, und dann kommt Zerstreuung – ja,
Zerstreuung, immer was Neues, immer was, dass ich lachen Muss. Was
ich nicht aushalten kann, ist Langeweile.... ( S. 24) |
Instetten |
„ Ich habe noch eine verzwickte Geschichte zu
erledigen" und damit ging er. Die Portiere blieb freilich
zurückgeschlagen, so dass Effi das Blättern in den Aktenstücken oder
das Kritzeln seiner Federhören konnte, aber das war auch alles.....
(S.85) |
Darauf aufbauend könnte man z. B. eine Heiratsanzeige oder einen
Steckbrief erstellen. Der Steckbrief bevorzugt objektive, möglichst viele
Angaben und umfassend die äußerlichen Merkmale einer Person. Die Schüler
sollen bei dieser Arbeit erkennen, wie wenig objektive Angaben in Effi
Briest zu finden sind. Die Schüler könnten aus ihrer Phantasie ein Bild
malen, was sicherlich auch genügend Anreiz zur Diskussion gibt.
Man könnte auch die Schüler mit Zitaten arbeiten lassen, die andere
Figuren über die Hauptfiguren machen:
Vater Briest bei der Verlobungsrede (S.13):
„Geert ..... habe die Bedeutung von einem schlank aufgeschlossenem
Stamm und
Effi.....sei der Efeu, der sich darum zu ranken habe..."
Die Schüler sollen anhand dieser Aussage von Effis Vater die Charaktere
erläutern. Inwieweit gleicht Innstetten einem Stamm und Effi einem Efeu.
Hierzu kann man mit den Schüler die Eigenschaften von Stamm und Efeu
ermitteln und sie gegenüber stellen.
Efeu ( Effi ) |
Stamm ( Instetten ) |
Natürlichkeit |
Standhaftigkeit |
Jugendlichkeit |
Alter |
Lebendigkeit |
Verwurzelung |
weibliche Reize |
Steifheit |
Diese Verbindung, dass Effi sich als Efeu um Innstetten als Stamm zu
ranken habe, zeigt auch gleichzeitig die Beziehung der beiden Ehepartner
zueinander, die traditionelle Rollenverteilung von Mann und Frau der Zeit.
Die Fügung Effis in dieses Rollenschema wird nicht bezweifelt, sondern es
wird von ihr erwartet, die Rolle des anschmiegsamen, sogleich
erotisch-verführerischen Wesens anzunehmen.
Hierzu können die Schüler ein Standbild aufbauen: Um dieses Ehebild zu
verdeutlichen könnten die Schüler jeweils zu zweit versuchen, Efeu und Stamm
zu verdeutlichen. Was passiert, wenn der Stamm nun wegfällt?? Die Gefühle
und Anmerkungen der Schüler können diskutiert werden.
Nicht nur zitatbezogen, sondern allgemein kann die Beziehung zwischen
Innstetten-Effi, Effi-Crampas betrachtet und verglichen werden. Was haben
Innstetten und Effi in ihrer Beziehung gemeinsam? Was fehlt ihnen? Im
Vergleich dazu Effi und Crampas setzen, wo gibt es Berührungspunkte? Wenn
der Erzähler sagt von Effi „Frisches war es wonach sie sich sehnte, Wechsel
der Dinge" (S.145) und Crampas bemerkt „Abwechslung ist des Lebens Reiz",
werden die beiden Berührungspunkte deutlich. Das was Effi vermisst, bringt
ihr Crampas entgegen.
Aber es soll sich bei dem Beziehungssystem nicht nur auf diese drei
Figuren beschränken. Man kann ein Beziehungsgeflecht schaubildartig
darstellen und Beziehungen zwischen anderen Romanfiguren näher beleuchten
z.B. Luise-Innstetten und Effi-Dagobert,....
Nachdem Beziehungen geklärt sind kann man auch zu Fragestellungen kommen,
wie z.B. warum die meisten Leser mit Effi sympathisieren und die Antipathien
bei Innstetten liegen.
Hierzu schrieb Fontane:
Fontane an eine Bekannte am 12. Juni 1895:
»....Instetten, der übrigens von allen Damen härter beurteilt wird als er
verdient....«
An Klara Kühnast am 27. Oktober 1895:
»Ja, Effi ! Alle Leute sympathisieren mit ihr uns einige gehen so weit,
im Gegensatz dazu, den Mann als einen „alten Ekel" zu bezeichnen. Das
amüsiert mich natürlich , gibt mir aber auch zu denken, weil es wieder
beweist, wie wenig den Menschen an der sogenannten „Moral" liegt und wie die
liebenswürdigen Naturen dem Menschenherzen sympathischer sind. Ich habe dies
lange gewusst, aber es ist mir nie so stark entgegengetreten wie in diesem
Effi-Briest- und Innstetten- Fall. Denn eigentlich ist er (Innstetten ) doch
in jedem Anbetracht ein ganz ausgezeichnetes Menschenexemplar, dem es an
dem, was man lieben muss, durchaus nicht fehlt. Aber sonderbar, alle
korrekten Leute werden schon bloß um ihrer Korrektheiten willen mit
Misstrauen, oft mit Abneigung betrachtet..«
(Erläuterungen und Dokumente, Reclam, S.111)
Zunächst können sich die Schüler mit dem Autorenurteil beschäftigen, ob
sie die Aussagen über Innstetten als „Ekel" bestätigen oder eher nicht.
Der Schüler wird damit aufgefordert noch mal über das Innstettenbild
nachzudenken. Folgt man nämlich dem Erzähler des Romans, dessen Sympathie
auf Effi gelenkt ist, so dürfte es nicht verwundern, dass sich schon zu
Fontanes Zeiten das Innstettenbild auf die Ekelcharakterisierung zuspitzt.
Da bricht ein fast vierzigjähriger Landrat in die behütete Welt eines
siebzehnjährigen Mädchens ein, heiratet sie von der Schaukel weg, schafft
sie in ein fernes Provinzkaff und entdeckt dann nach fast sieben Jahren die
Liebesbeziehung. Daraufhin wirft er Effi aus dem Haus und sieht praktisch
zu, wie seine Frau am Ort ihrer Kindheit stirbt. Unstrittig also doch ein
„Ekel" und kein „ganz ausgezeichnetes Menschenexemplar". Die Schüler sollen
Innstetten genauer betrachten und anhand ausgewählter Textstellen neben den
vorherrschenden Charakterisierungen aus der Perspektive Effis und des
Erzählers, die wenigen Selbstcharakterisierungen Innstettens erfassen. Diese
findet man in den Gesprächen mit Wüllersdorf und in einem einzigen
Selbstgespräch nach dem Duell.
„... Mir klingt was in der Seele. Ja, wenn ich voll tödlichem Hass
gewesen wäre, wenn mir hier ein tiefes Rachegefühl gesessen hätte .... Rache
ist nichts Schönes, aber was Menschliches und hat ein natürlich menschliches
Recht. So aber war alles einer Vorstellung, einem Begriff zuliebe, war eine
gemachte Geschichte, halbe Komödie. Und diese Komödie muss ich nun
fortsetzen und muss Effi wegschicken und sie ruinieren und mich mit..."
(Innstetten, zu sich selbst, nach dem Duell mit Crampas zu hause in
Berlin, S. 205)
„....Aber ich habe mich zu freuen verlernt. Wenn ich es einem anderen als
ihnen sagte, so würde solche Rede für redensartlich gelten. Sie aber, sie
finden sich darin zurecht. Sehen sie sich hier um; wie leer und öde ist das
alles... ich finde das alles so trist und elend und es wäre zum Totschießen,
wenn es nicht so lächerlich wäre.
...Es quält mich seit Jahr und Tag schon und ich möchte aus dieser ganzen
Geschichte heraus; nichts gefällt mir mehr, je mehr man mich auszeichnet, je
mehr fühle ich, das dies alles nichts ist. Mein Leben ist verpfuscht und so
hab ich mir im Stillen ausgedacht, ich müsste mit all den Strebungen und
Eitelkeiten überhaupt nichts mehr zu tun haben und mein Schulmeistertum, was
ja wohl mein Eigentlichstes ist, als höherer Sittendirektor verwenden
können.
( Instetten im Gespräch mit Wüllersdorf nach seiner Beförderung zum
Ministerialdirektor, S. 242-243)
Es kann anhand dieser Charakterdarstellung eine
Persönlichkeitsentwicklung bei Innstetten vorgenommen werden. Mit den
Schülern kann die Frage diskutiert werden, ob sich Innstetten im Laufe des
Romans verwandelt hat. Innstetten hat zumindest im Kopf, wenn auch nicht
durch Handeln, eine deutliche Korrektur seiner bisherigen Maxime vollzogen.
Diese Persönlichkeitsentwicklung kann man auch bei Effi vornehmen:
Angesichts dieser Betrachtungsweise könnte man einen Entwurf von Anklage-
bzw. Verteidigungstexten zu Effi und Innstetten erfinden und mit den
Schülern eine Gerichtsverhandlung simulieren, als Rollenspiel in der Klasse
ausgearbeitet z.B., dass Effi des schweren Verstoßes gegen die
Gesellschaftsnormen angeklagt ist. Im Hinblick einer solchen
Gerichtsverhandlung könnte man auch die Schuldfrage mit den Schülern
diskutieren. Wer hat Schuld an Effis Tod ? Die Eltern, Innstetten oder sie
selbst ??
Anstatt einer Gerichtsverhandlung könnte auch ein fiktiver Reporter
Romanfiguren zu diesem oder anderen Themen befragen, was z.B. Gieshübler zu
der ganzen Geschichte zu sagen hat. Ein weiterer Schreibanlass, um die
Figuren näher kennen zulernen wäre sich selbst als eine der Figuren
vorzustellen. Die Schüler können vor die Klasse treten und etwas über sich
erzählen. Eine andere Methodik wäre, dass man z.B. Effi ein fiktives
Tagebuch schreiben lassen könnte, wie ihre ersten Tage in Kessin waren oder
was sie dachte, als sie Innstetten zum ersten Mal gesehen hat.
5. Kommunikationsstruktur
Zunächst sollte mit den Schülern geklärt werden, welche
Kommunikationsformen es gibt und welche in Effi Briest bearbeitet werden
können:
a) Dialoge
b) Briefe
a) Dialoge
Der Dialog taucht bei Effi Briest in vielfältigen
Erscheinungsformen auf. Alle Gespräche, welche die Figuren führen, beziehen
sich auf Effi, zumindest die der Hauptfiguren. So sind auch sämtliche
Gesprächsbeteiligungen Innstettens und Crampas auf Effi gerichtet zu
verstehen. (Dünenausritte)
Auch die Gespräche der Eltern stellen Effi in den
Mittelpunkt. Die Schüler sollen anhand von Untersuchungen an den
Textstellen, in denen Kommunikation auftritt, feststellen, um welche Art
von Gespräch es sich handelt.
Dabei handelt es sich meistens um Gespräche über Figuren,
die noch nicht direkt in Erscheinung getreten sind z.B. , wenn Effi ihren
Freundinnen Hertha, Bertha, Hulda über Innstetten erzählt, ohne dass dieser
bereits vorgestellt wurde im Buch. Die Besonderheit bei diesem Gespräch ist,
dass hier subjektive Meinungen vertreten sind. Der Redner hat die
Möglichkeit persönliche Interessen mit einzubringen.
Sie lenken die Aufmerksamkeit des Lesers in direktem oder
übertragenem Sinne auf die Katastrophe oder ihre Auswirkungen, z.B. wenn
Effi zu ihren drei Freundinnen sagt „ vom Boot aus sollen früher unschuldige
Frauen versenkt worden sein, natürlich wegen Untreue."
Damit sind die Unterhaltungen gemeint, die in einem
unmittelbaren Zusammenhang mit einem Handlungsvollzug stehen, d.h. die Rede
entsteht aus dem Vorgang, der sich in der Erzählgegenwart abspielt. Man kann
in Effi Briest zwischen verschiedenen Begleitgesprächen unterscheiden, z.B.
-
Dialoge, die Aktionen von
handelnden Figuren zum Thema haben; z.B. Roswitha und Johanna als sie
die Binde für Annies Wunde suchen. Es entsteht ein kleiner Dialog über
Die Schuldzuweisung.
-
Dialoge, die das Geschehen
vorantreiben; z.B. Effis Gespräch mit der Ministerin, denn dieses
Gespräch leitet eine Wende ein. Nach dem Wiedersehen mit Annie erleidet
Effi einen Zusammenbruch und wird wieder zu Hause bei ihren Eltern
aufgenommen.
-
Dialoge, die das Geschehen
verzögern; z.B. als Effi in der Kur in Bad Ems auf Post von Innstetten.
Die Szene wird durch ein Gespräch zwischen Effi und der
Ministerialdirektorin Zwicker von dem Hausmädchen Afra unnötig in die
Länge gezogen.
In diesen Gesprächen aktualisiert die Figurenrede ein
Geschehen aus der Vergangenheit. Indem sich die Personen noch einmal mit
bereits erlebten Handlungen auseinandersetzen, findet der Leser Zugang.
Einen hohen Stellenwert nehmen die Reflexionsgespräche der Eltern Briest
ein, die wieder und wieder die Verbindung Effi-Innstetten diskutieren.
Auf der Grundlage dieser vielfältigen Erscheinungsformen
von Dialogen können die Schüler Überlegungen anstellen, ob Sprache ein
zentrales Thema in Effi Briest darstellt. Hierzu könnte man Aussagen von
Vater Briest zur Unterstützung nehmen:
„Übrigens sage nichts darüber, auch nicht zur Mama. Es ist
so schwer, was man tun und lassen soll. Das ist auch ein weites Feld!"
(Unterhaltung mit Effi über Innstetten)
„Ach Luise, lass das ist ein zu weites Feld ."(Nach
Luises Frage, ob Effi zu jung war)
Mit den Schülern kann zunächst diskutiert werden wann und
warum Briest diese Aussagen vom „weiten Feld" benutzt und was die Aussage
„weites Feld" zu bedeuten hat.
Diese Erarbeitung ist notwendig, um aufzuzeigen, dass
Sprache ein Thema bei Effi Briest ist. Die Unfähigkeit sich auszusprechen
wird hier zum zentralen Thema. Das „weite Feld" deutet Briests Grenzen an.
Stehen nämlich wichtige Entscheidungen an, flüchtet er sich in seine Formel
vom weiten Feld. Er erkennt Probleme und kann sie auch thematisieren, doch
tut er dies zu spät, im Nachhinein, wenn alles unabänderlich ist.
Die Unfähigkeit sich auszusprechen wird aber auch noch
viel deutlicher an Innstetten und Effi, die nach dem Auffinden der Briefe
kein klärendes Gespräch haben, wo sie zu ihren Positionen und dem
Vergangenen Stellung nehmen. Diese Aspekte können z.B. mit der Fragestellung
„Wie werden Krisen bewältigt ?" bearbeitet werden. Als weitere Aufgabe für
die Schüler könnte man einen Brief aus Innstettens Sicht an Effi schreiben
oder umgekehrt, um alles anzusprechen, was ungesagt geblieben ist.
b) Brief als Darstellungsmittel
Ein gutes Beispiel für diesen Punkt bietet Instettens
Brieffund im Nähtisch seiner Frau, denn daran könnten die Schüler auch gut
den Unterschied zwischen Brief und Gespräch erarbeiten
Gespräch |
Brief |
- gemeinsame Gegenwart |
- gemeinsame Gegenwart ausgeschlossen |
- Bezugsrahmen vorhanden |
- fehlt situativer Bezugsrahmen |
- Missstände können geklärt werden |
-
Schreiber & Empfänger haben keine Möglichkeit der Korrektur |
- Wechselspiel Rede-Gegenrede |
- kein Wechselspiel |
- sofortige Reaktion des Gegenübers |
- Reaktion kann nur erahnt werden |
- man kann nicht Nicht-Reagieren |
- Schreiber bleibt im Ungewissen |
Allgemein kann man dann die Frage an die Schüler geben,
welche Funktion die Briefe in diesem Roman haben. Sie erfüllen vorrangig
eine vermittelnde Funktion zwischen den Personen, eine Verständigung
zwischen räumlich getrennten Partnern. Eine Aufgabe für die Schüler, im
Hinblick auf den oben genannten Vergleich zwischen Brief und Gespräch, kann
die Verwandlung eines Briefes in ein Gespräch sein; auf S.81 (Effi Briest
Hamburger Lesehefte ) schreibt Effi einen sehr langen Brief an ihre Mutter,
in dem sie über die Einsamkeit und Spukangst in Kessin berichtet und dieser
Brief bietet eine passende Grundlage.
Kommunikationsform Effi-Crampas:
Im Hinblick auf die Ehebruchfrage wäre eine genauere
Kommunikationsuntersuchung zwischen Crampas und Effi sehr interessant, weil
sich viele Schüler fragen werden, ob die Beiden überhaupt ein sexuelles
Verhältnis hatten.
Eine Schülerin schreibt zum Ehebruch: (Stundenblätter Effi
Briest, H. P.Reisner)
Die Schülerin hat offensichtlich über wichtige Signale des
Textes hinweggelesen und eben diese Signale gilt es herauszuarbeiten. Die
Frage an Schüler an Schüler könnte heißen
„Wie wurden Zärtlichkeiten ausgetauscht ? Gab es den
Ehebruch und bedeutet er schon Anspielungen und Anzüglichkeiten??"
Der Ehebruch so formuliert Meyers Konversationslexikon von
1894 ist „ die wissentliche Verletzung einer bestehenden Ehe durch
außerehelichen Beischlaf."
Mit Schülern kann jetzt diskutiert werden, ob der Ehebruch
in dieser Form in dem Buch auftaucht.
Für Fontane selbst war diese Frage wohl entschieden. Einer
Leserin, die ebenfalls über den Ehebruch im Ungewissen war, antwortete er:
„Dass ich die Sache im Unklaren gelassen hätte, kann ich
nicht zugeben, die berühmten Schilderungen ( der Gipfel der
Geschmacklosigkeit ) vermeide ich freilich, aber Effis Brief an Crampas und
die mitgeteilten drei Zettel von Crampas an Effi, die sagen doch alles"
Die Briefe von Crampas an Effi ( S. 196)
„Sei heute Nachmittag wieder in den Dünen, hinter der
Mühle. Bei der alten Adermann können wir uns ruhig sprechen, das Haus ist
abgelegen genug. Du musst Dich nicht um alles so bangen. Wir haben auch ein
Recht. Und wenn Du Dir das eindringlich sagst, wird, denk ich, alle Furcht
von dir abfallen. Das Leben wäre nicht des Lebens wert, wenn das alles
gelten sollte, was zufällig gilt. Alles Beste liegt jenseits davon. Lerne
Dich daran zu freuen."
„....Fort, so schreibst Du, Flucht. Unmöglich. Ich kann
meine Frau nicht im Stich lassen, zu allem andern auch noch in Not. Es geht
nicht und wir müssen es leicht nehmen, sonst sind wir arm und verloren.
Leichtsinn ist das Beste, was wir haben. Alles ist Schicksal. Es hat so sein
sollen. Und möchtest Du, dass es anders wäre, dass wir uns nie gesehen
hätten ?"
„....Sei heute noch einmal an der alten Stelle. Wie sollen
meine Tage hier verlaufen ohne Dich! In diesem öden Nest. Ich bin außer mir
und nur darin hast Du recht: es ist die Rettung und wir müssen schließlich
doch die Hand segnen, die diese Trennung über uns verhängt."
Effis Abschiedsbrief an Crampas – der hier aber ungenannt
bleibt ( S. 159)
„Ich reise morgen mit dem Schiff und dies sind
Abschiedszeilen: Instetten erwartet mich in wenigen Tagen zurück, aber ich
kommen nicht wieder...Warum ich nicht wiederkomme, Sie wissen es,... es wäre
das Beste gewesen, ich hätte dies Stück Erde nie gesehen. Ich beschwöre Sie,
dies nicht als einen Vorwurf zu fassen; alle Schuld ist bei mir. Blick ich
auf Ihr Haus..; Ihr Tun mag entschuldbar sein, nicht das meine. Meine Schuld
ist sehr schwer. Aber vielleicht kann ich noch heraus. Dass wir hier
abberufen wurden, ist mir wie ein Zeichen, dass ich noch zu Gnaden
angenommen werden kann. Vergessen Sie das Geschehene, vergessen Sie mich.
Ihre Effi."
Fontane hat unabhängig von diesen Briefen den Ehebruch
durch ein kunstvolles Geflecht von symbolischen Motiven, Vorausdeutung und
Anspielung eindeutig genug vermittelt. Um dies zur Erkennung zu bringen
bedarf es allerdings eines geschärften Lesevermögens, dass man mit den
Schülern trainieren kann. Sicher wäre es vorteilhaft der Geschichte von
Effis Verführung in allen Einzelheiten nachzugehen und der Ehebrecherin auf
ihren getarnten Spaziergängen zu den Dünen in detektivischer Absicht zu
folgen.
Wichtig für die Schüler ist zu erkennen, dass Crampas
gezielt als Verführer eingeführt und dieser Rolle in seinem Verhalten
gerecht wird. Um das herauszufinden könnte man mit den Schülern eine
„Chronologie der Verführung" erstellen, wo man alle Begegnungen der beiden
analysiert anhand von Textstellen; z.B. bei dem alleinigen Dünenritt der
beiden. Die Konversationen werden hier leichter, anspielungsreicher, wenn
auch diese Anzüglichkeiten noch in ein gewand von literarischer Texte
gekleidet ist.
Man kann auf der Basis einer solchen Chronologie darüber
reflektieren, wo entscheidende Weichen gestellt werden, wo sich
Rückzugsmöglichkeiten eröffnet hätten, wo die Verführung und der Ehebruch
begann.
Fontane sagte: „Man muss nicht alles sagen wollen! Dadurch
wird die Phantasie des Lesers in den Ruhestand gesetzt und dadurch wird
wieder Langeweile geboren (Fontane, Bd. 3, S. 739)
6. Verfilmung
Von den ersten Jahren des Tonfilms bis zur heutigen Zeit ist Fontanes
Erfolgsroman insgesamt viermal verfilmt worden.
Dokument "Die Verfilmung"
Es ist nicht nötig sich alle vier Verfilmungen im Unterricht anzusehen.
Zum Vergleich sollte man sich allerdings zwei Verfilmungen auswählen. Eine
davon sollte Fassbinders Verfilmung von 1974 sein - sie ist auch die
aktuellste. Sie unterscheidet sich in zwei zentralen Aspekten ganz
wesentlich von allen vorangehenden Verfilmungen.
Sie zeigt, dass das was sich zwischen den Personen abspielt nicht an
die historische Situation um 1880 gebunden ist. Die Geschichte ist von
gesellschaftlichen Kräften geprägt, die sich auch in unserer heutigen
Gesellschaft noch erkennen lassen. Er verleiht der Handlung
exemplarischen Charakter.
Die Verfilmung lässt deutlich erkennen, dass er keinen in sich
geschlossenen, selbständigen Film produziert hat, sondern dass er im
Film einen Leseprozess dokumentiert und einen literarischen Text in ein
anderes Medium umgesetzt hat.
Aufgaben an die Schüler:
- Verfilmungen vergleichen
- Verfilmungen und das Buch vergleichen
dabei beobachten:
- Umsetzung?
- Wahl der Schauspieler?
- Gemeinsamkeiten?
- Unterschiede?
- Aussparungen?
- Pro/Contra?
Problem:
Wenn Videos im Unterricht zum Einsatz kommen, bringt das meistens eine
"Feiertagsstimmung" in das Klassenzimmer - das Video wird in einem Rutsch "reingezogen".
Video wird hier zum Fernsehen gemacht: "Licht aus, "Füße hoch" und "los".
Deshalb ist es oft sinnvoll kürzere Videosequenzen zu schauen (z. B. das
Duell, die Schlittenfahrt usw.). Man kann einzelnen Schülergruppen
unterschiedliche Beobachtungsaufgaben stellen (z. B. Effis Verhalten
beobachten, Innstettens Verhalten beobachten usw.).
Weitere Beobachtungsaufgaben für die Schüler:
- Schüler sollen feststellen, worauf der Regisseur seine
Schwerpunkte gelegt hat und dies bewerten,
- Schüler sollen ein Filmteam bilden und sagen, worauf sie ihre
Schwerpunkte legen würden und begründen (ein Storyboard erstellen),
- ein Interview mit den Regisseuren führen,
- eine Oscarverleihung als Rollenspiel (Oscar für den besten
Schauspieler, für die beste Umsetzung usw.),
- Erstellung einer Spannungskurve,
- Schüler sollen Kritiken schreiben oder Werbung für den Film
machen (Plakatentwurf)
7. Aktualisierung des Themas
Auf das Thema Verfilmungen bezogen, kann man mit den Schülern die Frage
bearbeiten, wie man das Thema Effi Briest heute filmisch umsetzen würde. Was
müsste inszeniert werden, damit der Film für die heutige Kinowelt
interessant wird und auf jeden Fall einen Oscar bekommt. Die Schüler können
in der Gruppenarbeit zusammen Ideen entwickeln und dann mit einer
Videokamera einen Film drehen.
Außerdem könnte man das Thema in eine Seifenoper aktualisieren, wie z.B.
„Gute Zeiten – Schlechte Zeiten". Innstetten würde Crampas nicht zum Duell
herausfordern, sondern ihn finanziell ruinieren mit böswilligen Intrigen.
Man könnte mit den Schülern diskutieren, welches Gesellschaftsproblem
unserer Zeit vergleichbar mit der Thematik aus Effi Briest wäre. Die Schüler
könnten damit Kritik an unserem Gesellschaftssystem aufzeigen, jeder Schüler
persönlich, was ihn an unserem Gesellschaftssystem als vergleichbares
Problem zum Roman zeigt und ob dieser Roman überhaupt noch aktuell ist in
unserer Gesellschaft. Zur Duelldiskussion, die damals geführt wurde könnte
man mit den Schülern überlegen, welche Methode heute aktuell ist mit der
Frage an die Schüler: „ Damals Duell- Heute ??"
Zu den Personenbeziehungen könnte man folgende Aktualisierungen mit der
Frage vornehmen, ob die Figuren heute anders reagieren würden als ihm Roman
; z.B.
Mutter – Effi: „Wie würde die Mutter wohl heute reagieren, wenn ihr
Jugendfreund ihre Tochter zur Frau will?"
Innstetten- Effi: „Wie würden Innstetten und Effi heute reagieren ??"
In Form eines Rollenspiels können Alltagsszenen nachgespielt werden.
Interessant wäre auch die Frage, welche Rollenerwartungen heute an eine Frau
gestellt werden im vergleich zu damals. |